Liebe Freundinnen und Freunde der Alexander-Technik,

alles Gute zum immer noch neuen Jahr! Der Jahreswechsel, die Zeit der kurzen Tage und der langen Dunkelheit, hat mich dazu verleitet, dem Nicht-Tun etwas tiefer nachzugehen. Dabei habe ich mich eingehender mit der Lehre vom Tao beschäftigt und viele Ähnlichkeiten zur Alexander-Technik entdeckt. Viel Freude beim Lesen.

Helmut Rennschuh

Die Lehre vom Tao und die Alexander-Technik

haben, obwohl sie in sehr unterschiedlichen Kulturen und Zeitaltern entstanden sind, erstaunlich viele Gemeinsamkeiten. Alexander war sich dieser Ähnlichkeit anscheinend bewusst (Siehe: Articles and Lectures, S. 147). Ohne hier im Einzelnen darauf einzugehen, möchte ich einen kleinen Eindruck von dieser Ähnlichkeit vermitteln:

In beiden zeigt sich ein Prinzip, das Alexander mit den einfachen Worten beschrieb:

            Wenn wir aufhören das Falsche zu tun,
            geschieht das Richtige von ganz allein.

Dieser Satz erinnert an das Tao Te King, wo es heißt:

           Durch Handeln ohne einzugreifen
           kommen alle Dinge in Ordnung.   (aus Nr. 3)

Das Richtige, das von allein geschieht, ist das Einfache und Natürliche. Als Alexander einen Weg gefunden hatte, sein Sprechen durch ein Spannungsmuster, das er sich angewöhnt hatte, nicht mehr zu stören, kam seine Stimme in Ordnung.

Unsere Neigung zuviel zu wollen und uns anzustrengen führt dazu, dass wir unsere einfache Natürlichkeit verlieren.

            Das große Tao ist sehr einfach, 
             doch die Menschen lieben die Umwege.  (aus Nr. 53)

            (Tao lässt sich mit Weg, Richtung, Sinn übersetzen)

Scheinbar lieben wir es, uns anzustrengen, um etwas Besonderes zu erreichen. Nur ist dies Besondere dann oft leider besonders ungünstig, denn es stellt eine Störung des Einfachen und Natürlichen dar.

Alexander hat mit seiner Entdeckung gezeigt, wie gewaltig der Unterschied zwischen einem Handeln ist, das sich auf Wollen und gewaltsame Kraft stürzt, und einem Handeln im Nicht-Tun, bei dem ein natürliches ungestörtes Geschehen im Körper abläuft.

            Höchste innere Kraft handelt im Nicht-Tun, 
             ohne einzugreifen und ohne Absicht. (aus Nr. 38) 

Alexander hat das Anspannen im Hals, durch das der Kopf nach hinten und unter gezogen wird, als Hauptstörung bei jedem Tun ausgemacht. Der natürliche, ungestörte Zustand, bei dem der Kopf die Bewegung anführt und frei auf der Wirbelsäule balanciert, lässt sich am einfachsten bei wild lebenden Tieren beobachten. Der Natur näher und ohne von einem denkenden und wollenden Ich geleitet zu sein, leben sie weitgehend in einem Zustand ungestörter, natürlicher Koordination.

Der Weise des Tao sucht nicht den Weg zurück in die Unbewusstheit des Tierreiches – genauso wenig wie Alexander. Vielmehr hält er seine ungewünschten Reaktionen in Schach, die ihre Wurzeln im Ich und im Wollen haben.

            Sei einfach, bewahre Natürlichkeit,
             verringere Selbstsucht, hab wenig Begierden. (aus Nr. 19)

Das Innehalten in der Alexander-Technik ist wie die Leere im Tao Te King, ein Nichts, das wir nur zu gern übersehen, doch das sich bei näherer Betrachtung als entscheidend und so überaus wirksam erweist:

            Dreißig Speichen umgeben eine Nabe,
            gerade dort, wo sie nicht sind, entsteht des Rades Brauchbarkeit.
            Forme Ton und bilde daraus ein Gefäß,
            gerade dort, wo nichts ist, entsteht seine Brauchbarkeit. (aus Nr. 11)

Gleich zu Beginn seiner Experimente hatte Alexander bemerkt, was er mit Hals, Kopf und Rücken tat, wenn er rezitierte. Doch es brauchte Monate des Experimentierens, bis er das entscheidende Mittel fand, dies Spannungsmuster nicht auftreten zu lassen. Das Innehalten ist wie ein Tor zur Natürlichkeit – und zum gegenwärtigen Moment. Während Alexanders Absicht zu sprechen ihn auf die Zukunft hin ausrichtete, verband ihn das Innehalten mit dem Hier und Jetzt. Nur im Hier und Jetzt können Weichen neu gestellt werden.

Wie beim Schaltgetriebe des Autos, bei dem die Kupplung getreten wird, um einen Gang zu wechseln, braucht es einen leeren Zwischenraum, um sich neu auszurichten.

            Was man erlangen möchte,
            muss man zunächst aufgeben,
            das wird feinsinnige Einsicht genannt. (aus Nr. 36)

Beim Innehalten wird das Ziel nicht nur zurückgestellt, sondern es wird tatsächlich aufgegeben, so wie es das Tao Te King anrät. Denn wir können unserem eigenen Nervensystem, das die Bewegung steuert, nichts vormachen. Das „Nein“ zur Handlung, das mit dem Innehalten verbunden ist, muss ernst gemeint und der Ausgang des Prozesses offen gehalten werden, sonst ist das Innehalten kein wirkliches Innehalten, sondern nur ein Warten.

Wer wartet, der verbindet sich mit der Zukunft und nicht mit der Gegenwart. Alle Veränderungen und Weichenstellungen können jedoch nur im Jetzt geschehen. Die Zukunft existiert nur im denkenden, planenden Ich, die Gegenwart hingegen ist das Leben – die natürliche Kraft und das göttlichen Sein.

Zitate:

            Die Welt ist ein Geistgefäß,
            nicht etwas, in das man eingreifen kann.
            Wer eingreift, verdirbt.
            Wer besitzen will, verliert.   (aus Nr. 29)

Alle Zitate stammen aus meiner eigenen Version des Tao Te King, die ich angefertigt habe mit Hilfe von fünfzehn, teils sehr unterschiedlichen Übersetzungen ins Deutsche und Englische.

Literatur

Alan Watts: Der Lauf des Wassers
Eine Einführung in den Taoismus

Das letzte Buch von Alan Watts, in dem er auf die chinesischen Schriftsprache eingeht und dadurch sehr anschaulich in das Thema einführt.

Neue Termine

Geführte Meditation auf Grundlage der Alexander-Technik
Februar bis Juni:
In Leipzig am ersten Dienstag im Monat um 20.00 Uhr:
In Weimar am ersten und dritten Freitag im Monat um 20.00 Uhr:

Gruppenunterricht Alexander-Technik
montags 19.00 Uhr in Weimar

Genaueres dazu sowie alle anderen Termine finden sich unter:

www.zeitlos-weimar.de/termine.html

Impressum: Helmut Rennschuh, Am Horn 25, 99425 Weimar
Tel.: (0 36 43) 77 72 82, E-Mail: hr@alexandertechnik-rennschuh.de,
Internet: www.alexandertechnik-rennschuh.de

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